Fraktionserklärung Alliance Verte / Grünes Bündnis
In menschlichen Gesellschaften gibt es viele Geschichten, die davon erzählen, wer wir sind und was wir wollen. Eine wichtige Geschichte in demokratischen Gesellschaften erzählt, dass wir unterschiedliche politische Ansichten haben können. Diese Erzählung geht noch weiter: Sie sagt, dass wir diese unterschiedlichen Ansichten hervorbringen und diskutieren können und dass es Regeln gibt, anhand derer am Schluss eine Entscheidung getroffen werden kann. Die gesellschaftliche Akzeptanz dieser Regeln lässt uns dann auch die Entscheidungen akzeptieren, die nicht unserer eigenen politischen Haltung entsprechen.
Was also passiert, wenn Luca Francescutto in den sozialen Medien behauptet, die Stadt Biel errichte eine Berliner Mauer am Bahnhof? Das Bild der Berliner Mauer ist ein Sinnbild dafür, dass Menschen daran gehindert werden, aus einer Diktatur zu flüchten. Sie steht als Symbol für den Tod vieler Menschen, die es dennoch versucht haben, sowie für Hunderttausende von Menschen, die voneinander getrennt worden sind.
Was passiert, wenn Luca Francescutto also das Bild einer Diktatur benutzt, um das Resultat eines politischen Prozesses zu beschreiben, an dessen Anfang ein Beschluss einer demokratisch gewählten Regierung steht? Und an dessen Ende ein Beschluss eines Gerichts steht, das eben gerade für die Einhaltung unserer Gesetze steht?
Was passiert, wenn Stefan Maurer, ebenfalls gewählter Stadtrat der SVP, die Grünen auf ajour immer wieder als Sekte bezeichnet?
Was passiert, wenn Roderich Hess, Wahlkampfhelfer der rechten Allianz „Biel/Bienne 2025“, die Grünen auf Facebook als „Irre“ bezeichnet und sagt, wir hätten in der „Politik nichts verloren“?
All diese Aussagen wollen einem politischen Gegner die Existenzberechtigung entziehen. Es werden Schuldige gesucht und dank einer einfachen Einteilung in „Gut“ und „Böse“ auch gefunden. Fakten spielen dabei keine Rolle und der Rechtsstaat wird mit den Füssen getreten. Als wäre der Rechtsstaat unliebsamer Balast, der nur dann nützlich ist, wenn er einem selbst Vorteile bringt.
Was passieren kann, ist zum Beispiel dies: In Seedorf wurde letzthin ein Strick aufgehängt, ein Galgen für die Grünen. Auf dem Transparent daneben steht: „Henker-Station für die Grünen“. Hintergrund: Die Gemeinde hatte eine Strasse asphaltiert, die sie nicht hätte asphaltieren dürfen. Das musste sie wieder rückgängig machen. Dafür sollen nun Grüne aufgehängt werden.
Wir möchten mit dieser Fraktionserklärung folgendes klarstellen:
Erstens lassen wir Grünen uns nicht einschüchtern. Mit ihrer Hetze schadet die extreme Rechte mehr der Demokratie als den Grünen.
Zweitens: Wir setzen uns für die Menschen und den Schutz der Umwelt ein. Wir glauben daran, dass wir Menschen unsere Probleme in einem demokratischen System lösen können. Wir sind dabei nicht mit allen Meinungen einverstanden, aber das ist für uns kein Grund, die Existenzberechtigung von andersdenkenden Menschen in Frage zu stellen. Wir werden uns weiterhin für die Demokratie stark machen, denn die Demokratie ist eines der freiheitlichsten Systeme, die wir haben.
Drittens sagt das Niveau der von der extremen Rechte in den letzten Wochen geprägten öffentlichen Diskussion einiges darüber aus, was uns in der kommenden Legislatur erwartet. Zynischerweise geschieht dies am Ende einer Legislatur, in der von rechter Seite immer wieder behauptet wurde, es gäbe keinen Dialog mehr zwischen den politischen Kräften der Stadt. Dabei stellen wir uns natürlich die Frage, welche politischen Kräfte sich tatsächlich an einer demokratischen Diskussion beteiligen werden und solche Angriffe auf demokratische Institutionen sowie die Meinungsvielfalt verurteilen.
Wir Grüne setzen darauf, dass es nach wie vor genug politische Kräfte gibt, die sich von solchen, von Hass geprägten Diskursen distanzieren, die die demokratische Debatte nicht fürchten, sondern diese mit faktenbasierten Argumenten voranbringen.
Wir Grüne jedenfalls werden uns auch in der kommenden Legislatur alle Mühe geben, eben dies zu tun: faktenbasiert argumentieren, anders Denkenden gegenüber respektvoll auftreten und die demokratisch erarbeiteten Entscheidungen akzeptieren.